• Gesprächsrunde zum neuen Schulbuffet im BG/BRG Gleisdorf

    Michael Longhino, Gottfried Walter, Christina Peinsipp und Philipp Friesenbichler (v.l.n.r.) im Gespräch über das neue Schulbuffet der Chance B und die Wirkung von Sozialökonomischen Betrieben.

09.09.2024

„Wert der Arbeit ist nicht nur in Summen bezifferbar“

Pünktlich zu Schulbeginn startet am BG/BRG Gleisdorf das neue Schulbuffet. Der Sozialökonomische Betrieb* der Chance B stellt ein ausgewogenes Jausenangebot für rund 1000 Personen an der Schule bereit. Christina Peinsipp, Direktorin BG/BRG Gleisdorf, Gottfried Walter, Geschäftsstellenleiter AMS Gleisdorf, Philipp Friesenbichler, Leitung Sozialökonomische Betriebe Chance B, und Michael Longhino, Prokurist und Leitung Innovation und Entwicklung Chance B, sprechen über die Wirkung von Sozialökonomischen Betrieben, die Beweggründe für die Kooperation und das Konzept des Schulbuffets.

Warum finanziert das Arbeitsmarktservice (AMS) Beschäftigungsprojekte wie den Sozialökonomischen Betrieb?

Gottfried Walter: Wir versuchen diese Projekte aufrechtzuerhalten, aktuell sogar auszubauen. Wir merken, dass die Arbeitslosigkeit steigt. Besonders stark davon betroffen sind Personen über 50 Jahre, Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen und mit multiplen Problemlagen, für die es schwierig ist, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Auffallend ist der starke Anstieg von arbeitslosen Personen mit anerkannter Behinderung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz, konkret um 70 Prozent mehr Personen als im August des Vorjahres. Diese Personengruppe wird größer und es besteht das Risiko, dass die Betroffenen in die Langzeitarbeitslosigkeit hineinkommen. Daher ist es wichtig, Projekte wie den Sozialökonomischen Betrieb aufrechtzuerhalten oder sogar auszubauen, denn der Bedarf ist gegeben.

Volkswirtschaftlich, arbeitsmarktpolitisch und gesellschaftlich betrachtet gibt es durch den Sozialökonomischen Betrieb nur positive Effekte. Aus Statistiken zeigt sich, dass bei Personen in Beschäftigung weniger Krankenstände anfallen. Indem die Menschen in Arbeit gebracht werden, sind die Personen gesellschaftlich eingebunden und sie fühlen sich gebraucht. Es entsteht somit eine Triple-Win-Situation.

Christina Peinsipp: Diese Ausrichtung passt optimal zu einer öffentlichen Schule. Der gesellschaftliche Aspekt, den Sie angesprochen haben, und die Werte, für die die Chance B steht –, also nicht ausgrenzen, sondern einbinden und mitnehmen – sind auch in unserem Leitbild verankert. Unser Ziel ist, dass wir miteinander auf die Stärken schauen, damit die Kinder ihren Weg gut machen können.

Sind weitere Aspekte ausschlaggebend gewesen, um die Chance B mit dem Betrieb des Schulbuffets zu beauftragen?

Christina Peinsipp: Wir können mit dem Sozialökonomischen Betrieb der Chance B ein gutes, bedachtes und regionales Essen zu einem Preis anbieten, der nicht auf Gewinnmaximierung fokussiert ist, damit es sich für alle Beteiligten gut ausgeht – für den Sozialökonomischen Betrieb und für die Personen an der Schule. Außerdem hat es bereits in der Vergangenheit eine langjährige Kooperation (von 1990 bis 2015, Anmerkung der Redaktion) mit der Chance B gegeben. Wir alle, die Schüler:innen und die Kolleg:innen, haben das Konzept sehr geschätzt. Jetzt starten wir mit einem neuen Schulbuffet und daher war mein erster Weg wieder zur Chance B.

Michael Longhino: Die Sozialökonomischen Betriebe gibt es in der Chance B seit unserer Gründung vor 35 Jahren. Seither dürfen wir kontinuierlich mit dem AMS als unseren langjährigen Partner diese Projekte umsetzen. Wir sind dabei nicht nur darauf ausgerichtet, dass Menschen durch den Sozialökonomischen Betrieb einen Job finden. Wir achten auch darauf, dass wir in unseren Sozialökonomischen Betrieben Dienstleistungen und Produkte entwickeln, die für die Menschen in der Region wertvoll sind. In unserer gut.-Näherei setzen wir auf Nachhaltigkeit und arbeiten an Upcycling-Projekten. Mit dem Betrieb des Schulbuffets möchten wir dazu beitragen, dass Kinder ein gutes Essen in der Schule bekommen. Darüber hinaus bietet die Chance B soziale Dienstleistungen an, um den Schulbesuch für alle Kinder zu ermöglichen. Durch Schulassistenz und Jugendcoaching unterstützen wir Kinder und Jugendliche dabei, ihre Schulzeit erfolgreich zu absolvieren.

Wie viele Schüler:innen und Lehrkräfte gibt es am BG/BRG Gleisdorf?

Christina Peinsipp: Wir haben 850 Schüler:innen, 90 Lehrer:innen und einige Personen in der Verwaltung. Insgesamt sind tagsüber fast 1000 Leute in der Schule. Ein Schultag beginnt um 7:30 Uhr und endet frühestens um 13:10 Uhr, für viele um 15 Uhr oder später. Es werden viele Menschen dankbar sein, dass sie ein gutes Essen bekommen, das sie nährt, damit sie geistig und körperlich leistungsfähig sind.

Philipp Friesenbichler: Für uns ist es zentral, ein abwechslungsreiches, gesundes und regionales Essensangebot am Schulbuffet bereitzustellen. Es gibt Klassiker wie Kürbiskernweckerl mit Gemüse oder einen Schinken-Käse-Kornspitz, zu Mittag ein kleine Karte mit warmen Speisen und selbstverständlich auch frisches Obst und Gemüse. Wir passen das Angebot auch saisonal an – im Winter wird es eine andere Zusammenstellung geben als im Frühjahr und Sommer hinaus, wo Salate eine stärkere Rolle spielen. Es sind auch Kooperationen mit Styria Vitalis und regionalen Partner:innen geplant. Wir werden das Angebot laufend weiterentwickeln und entsprechend des Bedarfs anpassen.

Die Betreuung des Buffets für so viele Personen an der Schule ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Was kann das für die Menschen, die hier mitarbeiten, bewirken?

Philipp Friesenbichler: Ich darf im Sozialökonomischen Betrieb regelmäßig sehen, wie Menschen wieder aufblühen und sich mehr zutrauen. Personen entwickeln wieder mehr Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Stärken. Wir werden für die Mitarbeiter:innen auch Job Rotation anbieten. Personen, die bei uns im Restaurant mitarbeiten, können zum Schulbuffet hinaufkommen und umgekehrt. Wir sehen uns an, wo die individuellen Stärken der Personen liegen. Wir helfen, diese Stärken auszubauen, und bereiten sie darauf vor, wieder am ersten Arbeitsmarkt einsteigen zu können.

Gottfried Walter: Für uns ist wichtig herauszufinden, welche Kompetenzen die Menschen haben, um sie wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen. Der Vorteil ist, dass die Chance B mit dem Sozialökonomischen Betrieb marktnahe Ausbildungen wie im Bereich der Gastronomie oder der Grünanlagenbetreuung anbietet. Die Personen erhalten über diese marktnahen Jobs Stabilität und können in weiterer Folge in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Philipp Friesenbichler: Für uns erweitert der Betrieb des Schulbuffets die Arbeitsfelder, die wir anbieten können. Wenn Menschen nach langen Auszeiten aufgrund von schweren gesundheitlichen Problemen wieder arbeiten, muss man erst sehen, wo sie wieder anfangen und beruflich Fuß fassen können. Es ist dann ein großartiges Erfolgserlebnis, wenn sich die Menschen nach ihrem Einstieg schrittweise mehr zutrauen und nach ein paar Monaten ihre Wochenarbeitszeit erhöhen möchten.

Gottfried Walter: Das AMS bewertet, wie wirksam der Sozialökonomische Betrieb als arbeitsmarktpolitisches Instrument ist. In Hinblick auf die Vermittlungsquote ist der Sozialökonomische Betrieb der Chance B einer der erfolgsreichsten in der Steiermark. Hierfür zählt, dass Personen, die den Sozialökonomischen Betrieb verlassen, auch am 92. Tag nach ihrem Ausstieg noch in Beschäftigung sind.

Christina Peinsipp: Gesamtgesellschaftlich gesehen ist das ein erfreuliches Ergebnis. Es geht ja nicht nur darum, wie jemand finanziert wird, der keine Arbeit findet oder nachgehen kann. Wenn Menschen Tätigkeiten und Aufgaben haben, die für sie Sinn machen, werden sie für die Gemeinschaft etwas Gutes beitragen können. Es geht also um viel mehr, der Wert der Arbeit ist nicht nur in Summen bezifferbar.

Vielen Dank für das Gespräch!

*In einem Sozialökonomischen Betrieb erhalten Menschen die Möglichkeit, sich auf einen Job in der Wirtschaft vorzubereiten. Langzeitarbeitslose, ältere Arbeitssuchende und Menschen mit Behinderung können bei der Chance B in den Bereichen Näherei, Reinigung, Gartenpflege, Baumschule, Küche und Restaurant mitarbeiten. Diese sogenannten Transitarbeitsplätze sind zeitlich befristet und werden mit finanzieller Unterstützung des Arbeitsmarktservice Steiermark geschaffen. Durch eine individuelle Begleitung und berufspraktische Schulungen erweitern die Mitarbeitenden ihre persönlichen Fähigkeiten, um (wieder) Anschluss im Berufsleben zu finden.